Zukunft der Zeitung -
Eike Wenzel's Workshop bei der ZMG. Für diesen Workshop sammelte
Eike Wenzel (
ITZ) ein paar Statements und ganz nach der Maxime dieses Blogs, habe ich sehr subjektiv und unvollständing ein paar Gedanken zu seinen Fragestellungen geliefert...
Über die Zukunft der Zeitung
Im Sommer feiert die gedruckte Zeitung ihren 407. Geburtstag. Erstmals gedruckt hatte Johann Carolus seine 'Relation' 1605, weil das Vervielfältigen per Hand zu aufwändig geworden war. Manche Zeitungsverleger und viele präsumtiven Kunden haben heute schon bemerkt und darauf reagiert, dass es neumodische Verfahren die erstaunlich preiswert und blitzschnelle die Inhalte in alle Welt transportieren und in aller Welt, zu jedem Zeitpunkt konsumieren lässt.
Das mit der sog. Kostenlos-/Nixwertkultur von redaktionellen Inhalten haben die Zeitungsverleger schon vor über 180 Jahren vermasselt, als der bis dahin geforderte Durchschnittspreis von ca. 6 Cent (heute ca. 1,20 USD) auf 1 Cent heruntergesetzt wurde um den Luxus-Status zu verlassen und die Auflage zu erhöhen und sich über Anzeigen zu finanzieren.
Quelle / mehr:
Newspapers History: 180 years of not charging for content
quoting Jeff Sonderman (newsfuturist.com)
Und an diesem Geschäftsmodell hat sich seither wenig geändert. Oder, haben Sie schon einmal erlebt, dass eine Zeitung den Umfang erhöht, weil es mehr zahlende Leser gibt? Nein, der redaktionelle Umfang wird nur dann erhöht, wenn es “zu viele” Anzeigen gibt und man die ja irgendwie unterbringen muss.
Man hätte das Modell natürlich auch für das Onlineangebot übernehmen können, aber die Anzeigenkunden von Print nach Online zu drängen, dafür zu werben (oder die Kunden und Agenturen schlau zu machen) stand nicht auf der Agenda.
Der Zeitungsbranche geht es wie allen guten und (über-)satten Geschäftszweigen. Sie setzten auf ein Festhalten des Besitzstandes und überlassen Innovationen und Risiken gerne Dritten und hoffen, dass solche systemveränderten Innovationen rechtzeitig scheitern, bevor sie sich selbst ändern müssen. Und wenn mal jemand vorangeht, wird das argwöhnisch beäugt, wenn es nicht klappt “dann haben es alle gewusst” und wenn es funktioniert, versucht man es irgendwie nachzumachen.
Die Auflagen sinken, Anzeigenerlöse unter Vertriebserlöse, die Jungen wandern seit Jahrzehnten ab, trotzdem genießen Zeitungen hohe Glaubwürdigkeit. Schlussfolgerung: Zeitung muss künftig im Netz stattfinden. Völlig klar, oder?
Wenn die Anzeigenerlöse unter die Vertriebserlöse fallen, kann das ja auch etwas Gutes sein (insbesondere, wenn die Anzeigenerlöse nicht fallen, aber die Vertriebserlöse steigen).
In meinem Zeitfenster gibt es noch viel Raum für Zeitungen, welche, wenn die journalistische Qualität und Ausrichtung stimmt, auch auf ein tradiertes, affluentes Publikum mit guter pekuniärer Ausstattung trifft und ihre Zeitung transparent auf allen Medienplattformen nutzen wird – das geht preislich noch was. Aber für viele, wird das Medium Zeitung (insbesondere als “Tages”-Zeitung) als Gattung an Relevanz und Bedeutung verlieren und bei den nachwachsenden Generationen auch gar nicht erst ins Pantheon Einzug halten.
Dass Verlage immer noch wie im 19. Jhdt. agieren, ist Geldverschwendung. Sie sollten mehr in redaktionelle Qualität investieren und den Printaufwand minimieren. Oder?
Beides denke ich, in relevante, redaktionelle Qualität zu investieren und den Aufwand in Produktion, Distribution, Administration zu minimieren ist auch im 21. Jahrhundert gültig. Und wenn sich jemand die großen Verleger des 19. Jahrhunderts zum Vorbild nimmt hätte ich überhaupt nichts dagegen. Diese Zeitschriftenverleger gibt es kaum mehr und die Leuchttürme des Journalismus sind selten geworden.
Für die Kunden ist in Zukunft nur noch eines wichtig: Ich und der Inhalt. Leider haben die Technikvisionäre (Twitter, Facebook, Google, Apple) das viel früher kapiert. Sind das die Gegner oder die Freunde des Mediums Zeitung?
Egal ob Gegner oder Freund, um zu gewinnen reicht es nicht anderen hinterherzulaufen, man muss sie überholen. Wenn die Anderen die Spielregeln eines Spiels bestimmen dürfen, dann sollte man sich zumindest fragen, ob man nach diesen Regeln gewinnen kann. Falls nicht, braucht man auch nicht mitzuspielen, sondern muss sich ein neues Spiel ausdenken und Mitspieler gewinnen. Ich denke, dass sich Kommpetition und Kooperation nicht ausschließen, das kennen wir ja aus der Spieltheorie. Btw., auch die Freundschaft zu einem Medium wie Zeitung ist endlich.
Auflagen- und Werbegejammer täuschen darüber hinweg, dass viele Verlagshäuser einfach nicht akzeptieren wollen, dass ihre Zeitungen Opfer von gesellschaftlichen Veränderungstrends wurden. Z.B. die FR war ein Medium für Gewerkschaften und Bürgerbewegungen der 1980er Jahre, die FAZ das Medium des rechten Lagers, dass es so auch nicht mehr gibt. Stimmt das?
Also, das mit ‘ein Opfer von gesellschaftlichen Trends sein’ ist nur die halbe oder ein Viertel der Miete. Die Berliner Morgenpost hatte um 1917 über 400.000 Abonnenten und heute knapp 80.000 ... das hängt sicher daran, dass sich die Berliner Morgenpost geändert hat, aber vor allem, dass sich die Rolle der Zeitung bei der Informationsversorgung der Berliner geändert und bei vielen marginalisiert hat. Man kann weitermachen, solange genügend Leser und Anzeigenkunden für Einkommen sorgen und den Eignern der Profit ausreicht oder aber versuchen, wieder mehr Bedeutung für geneigte Leser zu bekommen, was ja dann auch eine Referenz an Berufsstand des Journalisten wäre.
Quelle / mehr
EPIC Anno 1917: Berliner Morgenpost verliert 75 % ihrer Abonnenten
Die Verlage jammern seit Jahren auf hohem Niveau. Es ging ihnen nie wirklich schlecht. Wichtig ist jetzt eine Roadmap, wie der Übergang von teurem, anachronistischem Zeitungsvertrieb auf die digitale Gegenwart zu bewältigen ist. Dann müssen Verlage auch nicht mehr ständig über Krisen reden. Guter Ansatz?
Ich bin mir gar nicht sicher, dass ein digitaler Zeitungsvertrieb die (alle, die wesentlichen) Probleme löst. Denn dazu müssten ja auch zukünftig nicht konditionierte Newskonsumenten (Tages-)Zeitung lesen wollen und Anzeigenkunden in Zeitungen werben wollen, obwohl es heute ganz andere Möglichkeiten und Formen des Newskonsums oder der Werbeansprache, des Verkaufens gibt, die schon fleißig eingeübt werden. Die Erträge im Zeitungsgeschäft in Deutschland sind (noch) gut, vielleicht zu gut, um sich intensive um die Kunden zu kümmern.